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10.05.2022: „Gut ankommen in der Schule - Was brauchen Kinder?“

 

Am 10. Mai 2022 fand die Online-Veranstaltung: „Gut ankommen in der Schule. Was brauchen Kinder?“ statt. Die zahlreichen Anmeldungen spiegelten das große Interesse an dem Thema wider.

Welche Kompetenzen braucht mein Kind, um gut in die Schule zu starten? Wie können Eltern Ihr Kind beim Übergang in die Schule unterstützen?  Zu diesen und anderen Fragen kamen wir mit Frau Katja Hillenbrand (Kita-Leiterin der OutlawKita Rehefelder Str. in Dresden) und Herrn Sascha Bretschneider (Grundschullehrer an der 147 GS. in Dresden) ins Gespräch.

Das Interview mit den beiden Expert*innen ist hier in gekürzter Form noch einmal für alle Interessierten nachzulesen.

 

Welche Kompetenzen brauchen Kinder, um den Übergang positiv zu bewältigen?

Hillenbrand: Kinder benötigen ein stabiles Selbstbewusstsein. Sie müssen Beziehungen aufbauen und Frustration (beim Streiten, bei Fehlern) aushalten können. Sie sollten sich Hilfe holen können, z. B. jemanden fragen, wo die Toilette ist oder jemandem mitteilen, dass es einem nicht gut geht. Die sozial-emotionalen Kompetenzen helfen dem Kind, den Übergang stressfreier zu gestalten. Erst wenn das Kind das Gefühl hat, es hat die Situation emotional im Griff, kann es sich besser auf Lerninhalte einlassen.

Bretschneider: Kinder müssen heutzutage, im Gegensatz zu vor 70 Jahren, keinen bestimmten Standard mehr erfüllen, damit sie in die Schule kommen dürfen. Es ist ein terminlich festgesetzter Übergang für Kinder und Eltern, der gemeinsam mit Kita und Schule vorbereitet begleitet wird. Die Schule macht z.B. im Anfangsunterricht viele Angebote, die denen in der Kita sehr ähnlich sind, um allen Kindern das Ankommen zu erleichtern. Ebenso werden von Anfang an die stärkere Strukturierung und Zielorientierung von Schule für die Kinder deutlich spürbar sein. Ein positiver Übergang erfordert von allen Beteiligten eine Menge Anpassungsfähigkeit. Dem Nachmittagshort und dem dort möglichen freien Spiel, kommt von Schulbeginn an ebenfalls eine Schlüsselrolle für einen guten Übergang zu.

Es gibt verschiedene Schutzfaktoren, die den Kindern den Übergang erleichtern können: am bedeutendsten sind dabei die sozialen und emotionalen Kompetenzen eines Kindes. Darüber hinaus erleichtern Intelligenz, als auch fachbereichsspezifische Vorläuferfähigkeiten, wie eine deutliche Aussprache und ein großer Wortschatz oder Zahl- und Mengenverständnis und ebenso eine grundsätzliche Anstrengungsbereitschaft und Lernfreude den Übergang.

Wie sieht die Schulvorbereitung bei Ihnen in der Kita aus? Was heißt für Sie Schulvorbereitung?

Hillenbrand: Wir möchten selbstbewusste Kinder in die Schule schicken. Unsere wirkliche Schulvorbereitung ist es daher, die Kinder für das soziale Miteinander und für soziale Aushandlungsprozesse zu stärken. Die Beteiligung der Kinder stellt auch einen wichtigen Aspekt dar. Die Kinder müssen erfahren, dass es etwas bringt, seine Meinung zu äußern. Natürlich haben wir auch gezielte Angebote für Vorschüler*innen und eine klassische Vorschule, bei der Kinder auch Aufgaben bewältigen sollen, die ihnen vorgegeben werden.

Wie erleben Sie die Kinder in den ersten Schulwochen?

Bretschneider: Für die meisten Kinder bedeuten die ersten Wochen (und Monate) ein Wechselbad der Gefühle. Sie benötigen daher die starke Zuwendung all ihrer Bezugspersonen. Auch ist es für sie wichtig, bekannte Beziehungen aufrecht zu erhalten, sich also mit alten Freunden zu treffen oder mal die Kita zu besuchen. Bleiben Sie als Eltern so lange besonders präsent und in stabiler Beziehung zu Ihren Kindern – wie diese es benötigen.

Was empfehlen Sie Eltern für die letzten Kita-Wochen? 

Hillenbrand: Machen Sie sich und Ihren Kindern keinen Druck und leben Sie einfach so weiter wie bisher. Bleiben Sie auch in den letzten Wochen noch bei Ihrem normalen Alltag. Ich empfehle Ihnen, in der letzten Woche vor der Schule keinen Trubel mehr zu machen und das Kind ruhig 2-3 Tage vor der Einschulung aus der Kita zu nehmen. Das letzte Wochenende vor der Schule mit der Schulanfangsfeier ist unglaublich aufregend für alle und geht sehr schnell rum. Da ist es gut, wenn man vorher nochmal durchatmen konnte.

Achten Sie außerdem auf Ihre Sprache und vermeiden sie Sätze wie „In der Schule musst du das dann aber machen“. Sprechen Sie ruhig mit Ihren Kindern über Ihre eigenen Schulerfahrungen. Falls sie dabei auch über negative Erfahrungen sprechen, dann zeigen Sie bitte immer mit auf, wie Sie Schwierigkeiten positiv gemeistert haben. Da Sie noch nicht wissen, auf welche Schule und zu welcher Lehrkraft Ihr Kind kommt, behalten Sie sich eine Offenheit gegenüber der potenziellen Schule und Lehrkraft. Besprechen Sie eigene Sorgen und Ängste bzgl. der Schulzeit Ihres Kindes nicht mit ihrem oder im Beisein Ihres Kindes, sondern mit einer anderen erwachsenen Person.  

Bretschneider: Geben Sie Kindern mit Kinderbüchern oder anderen Medien einen kindgerechten Einblick in den Lebensraum Schule und kommen Sie darüber ins Gespräch. Vermeiden Sie Sätze wie „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens“. Machen Sie Mut und heben Sie hervor, dass Sie den Übergang in die Schule gemeinsam bewältigen „Natürlich schaffen wir das!“.

Feiern Sie den Übergang! Die Schuleingangsfeier sollte eine Feier sein, bei der sich das Kind gesehen und mitgenommen fühlt. Beteiligen Sie das Kind an für es selbst wichtigen Entscheidungen (z.B. bei der Auswahl der Kleidung für den Tag), dann wird es eine gute Feier.

Was wünschen Sie sich von Eltern in Bezug auf den Übergang?

Bretschneider: Ich wünsche mir Offenheit und Verständnis für alle Lehrkräfte, die insbesondere am Schulbeginn und in den ersten Jahren mit meist sehr vollen (28 Kinder!) und heterogenen Klassen allerhand zu tun haben, dass Sie als Eltern neben dem wichtigen Blick für das eigene Kind, auch Ihre Bereitschaft zur Perspektivübernahme beibehalten oder entwickeln. Haben Sie dennoch den Mut, auf alle wichtigen Lehrkräfte zuzugehen, wenn sie sich absolut nicht mehr „mitgenommen“ fühlen. Wenn Sie dabei auf ihre Kommunikation achten, sollte es die absolute Ausnahme sein, dass Lehrkräfte sich angegriffen fühlen. Im Gegenteil werden die meisten Ihnen dankbar auf Ihre Nachfrage reagieren. Erledigen Sie wichtige Untersuchungen im Vorfeld, wie z.B. die Überprüfung einer Sehschwäche. Sprechen Sie hierzu rechtzeitig mit den Fachkräften in der Kita, ob ihnen Auffälligkeiten bekannt sind.

Was für konkrete Tipps und Hinweise haben Sie an Eltern für die ersten Schulwochen?

Bretschneider: Achten Sie auf die individuelle Belastbarkeit Ihres Kindes. Für manche Kinder ist es gut, ihr nachmittägliches Kursprogramm zu streichen, andere brauchen ihre Vereine als Ausgleich auch weiterhin. Das Kind sollte nicht das Gefühl haben, dass jetzt alles, was bisher wichtig war, mit Schulbeginn eingestellt wird. Haben Sie keine Angst vor Krisen! Im Gegenteil lernen Sie diese zu schätzen, denn positiv bewältigt, sorgen sie für regelrechte Entwicklungsschübe und den Aufbau wichtiger Widerstandskräfte, aus denen Ihr Kind ein Leben lang schöpfen kann.

 Was sind Herausforderungen in der Schuleingangsphase?

Bretschneider: Eine positive Beziehung zu anderen Kindern aufzubauen ist für die Kinder das Wichtigste und zugleich auch das Herausforderndste, erst dadurch wird Schule für sie zu einem wirklich erstrebenswerten und sicheren Ort. Die meisten Kinder kommen innerhalb der ersten Wochen und Monate gut in der Schule an und können sich und ihre Freude am Lernen weiterentwickeln. Falls ein Kind auch nach längerer Zeit noch nicht bzw. nicht mehr in die Schule will, weil es dort ja auch keine Freunde hat, dann empfehle ich, das Gespräch mit den Bezugspersonen in der Schule suchen. Meistens liegen hier komplexe Problemlagen vor, die nur durch gemeinsame Anstrengungen erkannt und gut begleitet werden können.

Was möchten Sie Eltern abschließend noch mitgeben?

Bretschneider: Lesen bzw. unterstützen Sie den Schriftspracherwerb Ihrer Kinder von Anfang an. Die „Lies mal Hefte“ oder „Wörter schreiben zu Bildern“ Hefte vom Jandorf Verlag sind da sehr zu empfehlen. Machen Sie daraus, wie beim Vorlesen früher, ein festes Ritual im Tagesverlauf, z.B. aus gemeinsamen und wechselseitigen Lesen. Denken Sie aber bitte daran, dass sie in dieser Situation das „Arbeitsmodell“ für ihr Kind darstellen. Haben Sie bitte absolute Geduld, wenn etwas nicht so funktioniert, wie Sie es sich als Erwachsener, der ja schon Lesen und Schreiben kann, einfacherweise vorstellen.

Hillenbrand: Bitte bleiben Sie gelassen. Erinnern Sie sich immer wieder daran, dass Sie und Ihr Kind schon viele Übergänge gemeistert haben. Versuchen Sie nicht in die Sorgenspirale zu kommen, trauen Sie Ihrem Kind etwas zu und vertrauen Sie ihm. Für die Schule wünsche ich mir, dass Sie bei Ihrem Kind bleiben und ihm vermitteln, dass es so in Ordnung ist, wie es ist.

 

Die Antworten auf verschiedene Diskussionsfragen sowie Materialtipps haben wir auf einem Padlet gesammelt.

 

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Das Programm KITA-Rat der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung findet in Kooperation mit dem Stadtelternrat Dresden
statt und wird durch die Landeshauptstadt Dresden und die BildungsChancen gGmbH gefördert.